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Unser kleines Wechloy

Helmuth Steenken

Menschen leben hier seit viertausend Jahren - warum gibt es seit fünfzig Jahren in Wechloy einen Heimatvereen? Weil Wechloy nicht mehr Wechloy ist, denke ich, und weil wir unser altes Wechloy doch behalten möchten. Was ist aber unser altes Wechloy? Watt nich echt is, sä us ole Scholmester Lange l937, dat verdrögt. Ist unser kleines Stück Heimat in Wechloy verdrögt? Eher verdrängt, würde ich sagen, wenn ich auf die vier Karten sehe. Verdrängt wie unser Wild, unsere Pferde und die Segel unserer Schiffe. Vertrocknen die uralten Beziehungen zwischen Mensch und Tier und Wind und Heimatsprache? Das scheint nur so: denn sie stehen wieder auf in unseren Reit-, Segelsport- und Heimatvereinen. Und dergleichen ist in Wechloy "best up Stä", wie Georg Scheide sagen würde, und der muß es wissen, der war von Anfang an dabei. Und wenn es nach ihm ginge, wird unser kleines Wechloy auch in Zukunft alles verwechloyen, was da so über uns kommt.

Das fing schon neulich an, als im Drögen-Hasen "Blickschaden" gespielt wurde. Da sagte ein Professor von der Universität, die ja jetzt auch zu Wechloy gehört: Ich wußte gar nicht, daß es den "Zerbrochenen Krug" wirklich gibt. Darauf ein alter Wechloyer: Das handelt sich nicht um zerbrochene Krüge, sondern um ein zerbeultes Auto. Er sagte es übrigens hochdeutsch. Der Professor amüsierte sich. Nach der Pause dann fragte er den alten Wechloyer, wann denn der Hauptdarsteller aufträte: Er wartete auf einen, der schielt. Nun amüsierten sich die Wechloyer, die natürlich wußten, daß Blechschaden auf Plattdeutsch Blickschaden heißt.

Die alten Wechloyer haben überhaupt so manches Dokument in ihren Schubladen und so manche Geschichte in ihren Köpfen aufbewahrt, seit 1259 das Dorf zuerst erwähnt wurde. "Wiechelnlichtung" heißt Wechloy, und so säumten Heiden und Eichen den hohen Weg entlang der Haaren, den einzigen, der in das Ammerland führte. Auf diese Eichen stößt man noch heute, wo man auch gräbt in Oldenburg, am Stau, auf den alten Wällen, unter dem Schloß. Die Ritter und später die Hausmänner und Köter hatten sie zu liefern. Dieser Hofdienst einte alle Wechloyer. Mehr noch: Die alten Familien Wechloys, die Bruns, Pophankens, Schröders, Diecks, von Blohs, Küpkers sind fast alle um die Ecke verwandt mit den Urwechloyern. Die Bruns zum Beispiel gingen noch auf die alten Wechloyer Ritter zurück.

Die Ritter besaßen ihre Güter als Lehen erst der Kirche, dann der Oldenburger Grafen. Sie überließen sie oft Pächtern und Kötern. Am Ende verarmten sie, manche zogen mit den Ordensrittern in den 0sten. Da wurden die Knechte zu Herren und die Köter zu Hausmännern. Nur der Ritter von Wechloy blieb und wechselte vom Ritter in den Bauernstand. Sein Gut - es wurde 1782 abgebrochen und liegt hinter dem Schröderschen Hof - ist noch nicht wieder ausgegraben. Bis heute wechselten Herren und Knechte in Wechloy in den Kulissen der Geschichte, zum Glück für die Wechloyer ohne daß die Großen der Welt ihre Finger dazwischen hatten.